ANZEIGE AUFGEBEN

Anzeige aufgeben

Schalten Sie Ihre Anzeige in der Zeitung

Über unser Online-Anzeigensystem können Sie in wenigen, einfachen Schritten eine private Traueranzeige in aller Ruhe selber gestalten, ausdrucken und online aufgeben.

Traueranzeige aufgeben

Skurrile Wünsche, Tabus und Humor bei der Arbeit: Eine Bestatterin erzählt

Autor Ulrike Kübelwirth

© Jürgen Paul

Immer in Schwarz gekleidet, skurril und meist schräg drauf: So kennt man Bestatter aus zahlreichen TV-Serien. Ein Bild, das jedoch keineswegs der Wahrheit des Berufs und den Menschen dahinter entspricht. Da ist sich Anastasia Maurer sicher. Die 34-jährige Bestattermeisterin ist „ein ganz normaler Mensch“. Mit Familie, vielen Hobbys – und einem eigenen Bestattungsinstitut im Landkreis Heilbronn, mit dem sie sich vor acht Jahren ihren beruflichen Traum erfüllt hat. 

Bestatter. Das klingt für die meisten eher nach Horror als nach Traumberuf. Wie kamen Sie dazu?
Anastasia Maurer: Ich habe BWL studiert und hatte danach einen Bürojob, in dem ich mich wahnsinng gelangweilt habe. Ich wusste nicht, wie es beruflich für mich weitergehen sollte. Durch Zufall bin ich auf den Bestatterberuf gestoßen. Ich hab mich damit intensiv beschäftigt – und gemerkt: Das ist es!

Wie haben Ihre Familie und Ihre Freunde auf diesen Entschluss reagiert?
Maurer: Erstaunlicherweise standen dem alle positiv gegenüber.

Empathie: Ein Nachteil für Bestatter?

Die einstige Männerdomäne fällt. Mittlerweile gibt es immer mehr Bestatterinnen. Sind Frauen in diesem Beruf einfach besser als das „starke“ Geschlecht?
Maurer: Ein klares Nein. Es kommt total auf die Person an. Frauen sind nicht von Natur aus empathischer als Männer. Sie sind vielleicht mitfühlender. Das kann aber als Bestatter auch ein Nachteil sein, weil sie den Berufsalltag näher an sich ranlassen.

Apropos Berufsalltag: Wie sieht der aus?
Maurer: Anders als sich das die meisten Menschen vorstellen. Wir Bestatter rennen nicht den ganzen Tag mit staatstragender Miene herum. Wir telefonieren viel. Haben sehr viel im Büro und am PC zu tun, führen Trauergespräche. Danach beginnt die eigentliche Organisationsarbeit unter enormem Zeitdruck. Eigentlich bin ich eine Eventmanagerin für die letzte große Feier des Lebens.

Bestatterin im Interview: Fokus aufs Hier und Jetzt

Das ist eine Seite Ihres Berufs. Die andere ist die Versorgung der Toten...
Maurer: ... die aber nur etwa fünf Prozent meiner Arbeit ausmacht. Zwar ein wichtiger Teil, der es Hinterbliebenen ermöglicht, sich wirklich von ihrem verstorbenen Angehörigen verabschieden zu können. Noch einmal seine Hand zu halten, ihn noch einmal physisch berühren. Darum geht es und darum, den Tod im wahren Wortsinn zu begreifen. Wir hatten kürzlich einen jungen Mann, der bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Für die Familie war es ganz wichtig, sich auf diese Weise von ihm verabschieden zu können. 

Nehmen Sie solche Fälle mit nach Hause – oder können Sie gut abschalten?
Maurer: Man lernt mit der Zeit, mit solchen Schicksalen umzugehen. Wenn jemand jung stirbt, unverhofft, oder Suizid begeht – das kann man nicht einfach so abschütteln. Aber der Beruf lässt dich auch bewusster leben. Ich weiß heute viel mehr zu schätzen, was ich alles habe. Ich genieße das Jetzt und jage nicht mehr so verbissen meinen Zielen nach wie früher.

Beruf des Bestatters: Als Allrounder körperlich und mental anstrengend

Ist der Bestatterberuf nur mental anstrengend oder auch körperlich?
Maurer: Beides. Wir sind 24/7 an 365 Tagen im Jahr in Bereitschaft. Wenn zum Beispiel ein tödlicher Unfall passiert und wir gerufen werden, müssen wir schnell vor Ort sein. Das ist mental anstrengend. Wenn wir aber einen 150 Kilo schweren Mann im vierten Stock abholen oder ein Grab ausheben müssen, dann kostet das körperliche Kraft. Was viele nicht wissen: Wir Bestatter sind Allrounder: Wir müssen uns mit Holz auskennen. Mit Stoffen. Wir müssen löten können oder einen Minibagger bedienen, Hämmern und Schminken. Du springst quasi von der Latzhose in den Anzug und wirst vom Handwerker zum Psychologen. Genau das ist es aber, was den Beruf so abwechslungsreich macht. 

Der Tod gehört zwar zum Leben, ist aber immer noch ein Tabu-Thema. Warum?
Maurer: Weil Menschen gerne verdrängen. Das hat sich durch die sozialen Medien noch verstärkt. Heute muss bei Instagram und Co. ja alles positiv sein. Was Negatives darf nicht passieren. Auch nicht der Tod, aber der ist unausweichlich.

Bestatter unterstützen Hinterbliebene bei der Trauer

Können Sie sich noch an den ersten Sterbefall erinnern, den Sie professionell begleitet haben?
Maurer: Ja. Das war ein Mann, dessen Frau gestorben war. Der wusste nicht, was er machen sollte, war völlig unselbstständig und verloren. Und da dachte ich: Dem muss ich ins Leben zurück und bei seinem Umgang mit der Trauer helfen. Ich habe ihm dazu geraten, etwas zu tun, woran er Spaß hat. Etwas nur für sich. Er belegte dann schließlich einen Französischkurs, bei dem er eine neue Frau kennengelernt hat. Dafür hat er sich dann später mit einer auf Französisch geschriebenen Karte bei mir bedankt. Damals wollte ich jedem Hinterbliebenen persönlich helfen - und habe dann aber gemerkt: Diesen Anspruch an mich kann ich nicht erfüllen. Aber ich kann diesen Menschen Tipps an die Hand geben, einen Anstoß bieten, dass sie ihr Leben überdenken.

Also Hilfe über den akuten Trauerfall hinaus?
Maurer: Genau. Deshalb entsteht gerade in Bad Friedrichshall im nördlichen Landkreis Heilbronn die Hauptniederlassung mit einer Abschiedshalle für mehr als 100 Personen und einem Trauercafé. Dort möchte ich dann eine Begegnungsstätte mit verschiedenen Angeboten für Hinterbliebene und Interessierte schaffen. Einen Ort, an dem Yoga, Töpferkurse und Konzerte stattfinden und es unterschiedliche Vorträge geben wird. Eben eine ganzheitliche Trauerbegleitung.

Bestattungen werden nachhaltiger und individueller

Es heißt immer, die Bestattungskultur befände sich im Wandel. Können Sie das bestätigen?
Maurer: Der Aspekt Nachhaltigkeit in Bezug auf Bestattungen wird immer wichtiger – und die Bestattungen immer individueller. Heute wird schon öfter danach gefragt, ob man Sarg oder Urne bemalen dürfe. Oder ob das Hobby des Verstorbenen bei der Abschiedsfeier aufgegriffen werden kann. Neulich hatten wir einen Mann, der viel gereist ist. Für ihn haben wir die Halle mit seinen ganzen Buddhas geschmückt und auch eine Art buddhistische Abschiedszeremonie möglich gemacht.

Was war das Skurrilste, das Sie bei Ihrer Arbeit erlebt haben?
Maurer: Im Gedächtnis ist mir der Verstorbene geblieben, der sich seinen Sarg schon zu Lebzeiten selbst gezimmert hat. Wir haben schon mit Verstorbenen eine Ehrenrunde um deren Wohnhaus gedreht und einen Ohrenabdruck gemacht, den die Familie von ihrem Verstorbenen wollte. Wenn es für mich ethisch vertretbar ist, erfülle ich diese letzten Wünsche gerne.

Humor und Trauer schließen sich nicht aus

Schließen sich Lachen und ihr Beruf aus?
Maurer: Bestimmt nicht. Wir lachen bei unserer Arbeit viel. Und ich habe schon viele humorvolle Momente bei Trauerfreiern erlebt. Allerdings musst du dich da manchmal im Griff haben. Was du lustig findest, kann für Angehörige einen völlig ernsten Hintergrund haben.

Ihr Bestattungsinstitut heißt „Himmelblau“ – das klingt so positiv.
Maurer: Genau! Ich wollte einen freundlichen Namen, einer der Offenheit und Zuversicht ausstrahlt, der Mut macht und zeigen soll: Das Leben geht weiter.

Ein Name, der zeigt: Ich bin Bestatterin und dem Leben zugewandt? Ist es auch das, was Sie Hinterbliebenen vermitteln wollen?
Maurer: Ja. Die meisten von uns leben in der Vergangenheit oder der Zukunft, aber nie in der Gegenwart. Deshalb sage ich allen, die einen lieben Menschen verloren haben: Trau dich, zu leben – und zwar im Hier und Jetzt. Lebe, ohne zu fragen, was dein Nachbar darüber denkt, sondern mach' einfach das, was dir jetzt guttut. 

Zur Person: Bestattermeisterin Anastasia Maurer gründete vor acht Jahren das Bestattungshaus Himmelblau, das an neun Standorten im Landkreis Heilbronn vertreten ist. Der Aus- und Weiterbildungsbetrieb mit acht festen Mitarbeitern ist Mitglied im Bund freier Bestatter.