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Darum ist Musik auf der Beerdigung so wichtig

Autor Andrea Eisenmann

© bidaya / AdobeStock

Lieder oder Musik generell wirken oft wie ein Katalysator für Gefühle. Und so spielen diese seit jeher bei Beerdigungen eine wichtige Rolle. Das stellt auch Marcus Trübendörfer immer wieder fest. Der studierte Musiker, der in Weinsberg im Landkreis Heilbronn die gemeinnützige Musikschule Funtastico leitet, begleitet gemeinsam mit einer Sängerin etwa sechs Mal im Jahr Beerdigungen am Klavier, E-Piano oder an der Orgel. Im Interview erzählt er, warum Musik auf Beerdigungen entscheidend für den Umgang mit der Trauer und deren Verarbeitung sein kann.

Was ist Ihrer Ansicht nach vielleicht der größte Unterschied zwischen einem Auftritt vor Ihrem gewöhnlichen Publikum und vor Trauergästen?
Marcus Trübendörfer: Wahrscheinlich der Umgang mit der Trauer. Ich bin noch aufmerksamer, was die Stimmung angeht. Wenn man bei einer Trauerfeier beispielsweise ein unüberlegtes Wort zum unpassenden Zeitpunkt sagen würde, wäre das sehr befremdlich. Ich höre zu, nehme die Stimmung wahr und versuche, quasi unsichtbar zu sein.
Deshalb baue ich meine Technik auch immer dann auf, wenn noch keiner von den Trauergästen da ist. Später, während der Zeremonie, ist es eine Herausforderung, mich von der Traurigkeit nicht übermannen zu lassen. Das passiert manchmal schnell, wenn man den oder die Verstorbene persönlich gekannt hat. So wie neulich beim Begräbnis einer Musiklehrerin aus der Schulzeit.

Spezielle Musikwünsche bei Beerdigungen

Das klingt, als ob Sie als Musiker auf Beerdigungen auch einem gewissen Druck ausgesetzt sind...
Trübendörfer: In der Bedeutung der Veranstaltung schwingt ja mit, dass zum letzten Mal in dieser Gemeinschaft Abschied genommen wird. Das wird den Menschen immer bleiben: Da darf einfach nichts schiefgehen. Da darf man nicht daneben spielen. Da darf die Technik nicht ausfallen. Das ist anders wie bei einer Hochzeit, wo allerdings eine positive, sonnige Grundstimmung vorherrscht.

Passiert es häufig, dass Verstorbene zu ihren Lebzeiten den Wunsch nach Live-Musik bei der Bestattung äußern beziehungsweise spezielle Vorstellungen davon haben, welche Lieder gespielt werden?
Trübendörfer: Ich würde sagen, es ist halb halb. Als ich zehn Jahre alt war, hat sich mein Vater das Lied „Londonderry Air“ für seine Beerdigung gewünscht, weil ihm das Stück so viel bedeutet hat. Da war er gerade einmal um die 40 Jahre alt – und er erfreut sich heute immer noch bester Gesundheit.

Schlager-Musik bei Beerdigungen eher unpassend

Gibt es Musik und Songs, von denen Sie sagen würden, sie seien unpassend für eine Trauerfeier oder Beerdigung?
Trübendörfer: Aus Sicht des Musikers erfülle ich ja die Wünsche der Angehörigen oder der Verstorbenen. Persönlich würde ich jetzt vielleicht kein seichtes Stück aus dem Schlagerbereich vorschlagen. Aber wenn es der absolute Herzenswunsch ist, dann spiele ich das Lied natürlich genauso professionell wie ein anderes Musikstück. In diesem Fall sind wir als Musiker Dienstleister und müssen flexibel sein.

Gibt es Stücke oder Lieder, die häufig auf der Wunschliste von Angehörigen zu finden sind?
Trübendörfer: Ja, die gibt es. Dazu gehören beispielsweise das Abschiedslied von Udo Jürgens „Ich laß’ euch alles da“. Beliebt sind auch „Das Leben ist schön“ von Sarah Connor oder „Ich hätt´ so gern noch Tschüss gesagt“ von Roger Cicero.
Wenn man auf die Texte achtet, haben diese für die Gäste oft noch eine besondere Botschaft parat wie: „Kommt, trauert nicht“. Oder es gibt Parallelen zum Leben der Verstorbenen. Das ist beispielsweise beim Lied „Der Weg“ von Herbert Grönemeyer der Fall. Dessen Text erzählt, wie ein Mensch gekämpft hat und doch aus dem Leben herausgerissen worden ist. Das ist sehr berührend.

Auch dank Musik: Trauerfeier muss nicht einseitig deprimierend sein

Wie sind Sie persönlich dazu gekommen, auf Trauerfeiern aufzutreten?
Trübendörfer: Wenn man jemanden als ernsthaften Menschen und Musiker kennengelernt hat, traut man sich, diesen auch zu fragen, ob er auch bei einer Trauerfeier spielen würde. So war es zumindest bei mir.

Haben Sie sich aufgrund Ihrer Erfahrungen selbst schon Gedanken über die Gestaltung Ihrer eigenen Abschiedsfeier gemacht?
Trübendörfer:
Ja. Meine Abschiedsfeier soll nicht deprimierend sein, sondern erbaulich wirken. Mein Ziel im Leben ist es, in Kontakt mit Menschen zu treten und mit diesen eine gute gemeinsame, bedeutsame und fröhliche Zeit zu erleben. Das wünsche ich mir auch für meine Beerdigung. Das Wort „Uplifting“, also aufbauend, trifft es vielleicht ganz gut. Und ich würde auf einer Wolke mit einer Lyra in der Hand sitzen und fröhlich im Takt mitwippen – das wäre ein schönes Bild.

Musik auf Beerdigung als Türöffner für Herz und Seele

Welches Feedback bekommen Sie von den Angehörigen? Welche Reaktionen erleben Sie? Kommen diese gleich oder erst später?
Trübendörfer:
Es gibt beides. In dem Moment sind viele Trauernde so vor den Kopf geschlagen – angesichts der Plötzlichkeit, wie die Person aus dem Leben getreten ist oder sie sind berührt von der Zeremonie. Viele Reaktionen und Rückmeldungen treffen oft mit ein wenig Abstand ein, wenn die Trauerarbeit geleistet wurde.

Wie würden Sie Ihre Aufgabe beschreiben? Wann ist für Sie eine Trauerfeier „gelungen“?
Trübendörfer:
Mit dem Tod wird das Buch des oder der Verstorbenen geschlossen. Und wir versuchen, diesem mit der Musik noch einen wunderschönen Einband zu geben. Ich erlebe oft, dass meine Musik wie ein Türöffner für die Gefühle ist. Ich kann mit ihr das Herz und die Seele aufschließen und sanft umarmen.

Information: Zur Person
Marcus Trübendörfer wurde in Künzelsau geboren. Nach dem Musik-Studium in Trossingen (Hauptfach E-Orgel) und Enschede in den  Niederlanden (Elektronische Tasteninstrumente) gründete er im Jahr 1995 die Musikschule Funtastico in Weinsberg im Landkreis Heilbronn. Seit 2016 ist sie gemeinnützig.
Trübendörfer ist musikalischer Begleiter von Chören und Sängern, Leiter eines Tonstudios sowie Keyboarder einer Band. Er hat vier Kinder und wohnt in Ilsfeld im südlichen Landkreis Heilbronn.