Emotionen brauchen Raum: So schafft man es, Trauer zu verarbeiten
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Einen geliebten Menschen zu verlieren, ist sicher eine der schlimmsten und belastendsten Erfahrungen, der man im Leben ausgesetzt ist. Doch der Zustand der Trauer nach dem Tod einer nahestenden Person ist ein natürlicher Prozess, der Zeit und Raum für Verarbeitung benötigt.
Dr. med. Steffen Häfner ist Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie ärztlicher Direktor der Klinik am schönen Moos in Bad Saulgau im Landkreis Sigmaringen in Baden-Württemberg. Er gibt Ratschläge für den Umgang mit den schmerzlichen Emotionen, über die in unserer Gesellschaft die wenigsten Menschen offen sprechen. Noch immer ist die Trauer ein Tabu-Thema.
Nach dem Tod eines nahestehenden Menschen: So funktioniert Trauer
„Menschen gehen unterschiedlich mit dem Verlust einer lieb gewonnenen Person um", erklärt Häfner. „Während die einen ihre Verzweiflung offen zeigen, lassen andere ihre starken Gefühle nicht zu. Gleichzeitig gibt es typische Verhaltensweisen, die den Prozess der Trauer kennzeichnen." Man spricht beispielsweise auch von fünf Phasen, die ein Trauernder im Laufe der Zeit durchlebt. Häfner: "Viele Betroffene wollen den Tod ihres Angehörigen zunächst nicht wahrhaben. Nach dem ersten Schock folgt dann eine Phase voller aufbrechender Emotionen, geprägt durch Frustration, Ärger und Traurigkeit. Daraufhin kommt es häufig zur sogenannten Suche nach dem Verstorbenen, beispielsweise durch das schmerzliche Schwelgen in Erinnerungen."
Dabei sollte man aber nicht den Fehler machen, sich zu intensiv mit der Vergangenheit zu beschäftigen und darüber hinaus die Gegenwart zu vergessen. "Wer allmählich beginnt, den Verlust zu verarbeiten und sich an seine neue Realität anpasst, tritt schließlich in die letzte Phase ein, die der Akzeptanz. Es ist wichtig, sich selbst genügend Zeit zu geben, um diesen Prozess vollständig zu durchleben“, berichtet Facharzt Dr. Häfner.
Umgang mit Trauer: Diese Ratschläge gibt es für Hinterbliebene
„In der Regel hilft trauernden Menschen der Austausch über ihre Emotionen. Wer dazu bereit ist, sollte mit der Familie sowie mit Freunden reden und seine Empfindungen teilen", erläutert Steffen Häfner. Ratsam ist es dabei auch, bereits zu Lebzeiten mit den Eltern oder Großeltern über deren möglichen Tod zu sprechen, um das Thema zu enttabuisieren. Häfner: "Seine Gefühle zu unterdrücken, erschwert hingegen, das Erlebte zu verarbeiten." Wichtig ist es, seine kompletten Kräfte und Gedanken nicht alleine der Trauer zu widmen. Dr. Häfner erklärt: "Trauernde sollten zudem darauf achten, weiterhin gut für sich zu sorgen. Dazu zählt ausreichend Schlaf, gesunde Ernährung und auch Zeit für Aktivitäten, die Freude bereiten. Durch ein gesundes Maß an Ablenkung lässt sich neue Kraft schöpfen."
Außerdem gelte es, geduldig mit sich zu sein. Denn eine festgelegte Dauer für die schmerzlichen Emotionen gebe es nicht. "Teilweise spielen sie über Monate und Jahre eine prägnante Rolle im Leben. Wer um jemanden trauert, verarbeitet das Geschehene Tag für Tag, in seinem eigenen Tempo. Dabei können ganz unterschiedliche Gefühle auftreten und auch Emotionen wie Schuld dürfen ihren Raum bekommen", erklärt der Facharzt der Klinik am schönen Moss.
Langfristig stehe übermäßiges Grübeln allerdings einer gesunden Aufarbeitung der Trauer im Weg. "Um neue Perspektiven zu erhalten, hilft aktive Trauerarbeit", berichtet Dr. Häfner. "Wem das Sprechen über seine Emotionen jedoch schwerfällt, der darf auch zu Zettel und Stift greifen und auf diese Weise seine Gefühle einordnen. Was für Betroffene das Richtige ist, finden sie häufig in einem ehrlichen Dialog mit sich selbst heraus.“
Allerdings sollte man sich nicht scheuen, Hilfe anzunehmen, wenn die Trauer auch Monate nach dem Tod eines geliebten Menschen den Alltag noch maßgeblich bestimmt. Dr. Steffen Häfner: "Wer merkt, dass er auch nach Wochen und Monaten nocht nicht wieder aktiv am Alltag teilnehmen kann und keine Kapazitäten für Berufliches hat, sollte über Unterstützung nachdenken. Erste Anlaufstellen dafür sind unter anderm Hausärzte, telefonische Seelsorgenummern, Trauergruppen oder spezielle Trauercafés. Einige Menschen finden aber auch erst durch psychologische Unterstützung wieder zu mehr Hoffnung. Um das Geschehene langfrsitig zu verarbeiten, bieten sich insbesondere psychosomatische Rehakliniken an. Bei einem Aufenthalt von bis zu fünf bis sieben Wochen lassen sich Strategien zur langfristigen Bewältigung eines Verlustes finden."