Umgang mit Trauer - Die fünf häufigsten Fehler
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Die in der Gesellschaft weit verbreiteten Vorstellungen zum Thema Trauer und dem Umgang mit ihr beeinflussen die Art und Weise sehr, wie Hinterbliebene Verlust verarbeiten, was sie von sich selbst erwarten, aber auch, mit welchen Annahmen ihr persönliches Umfeld sie nach einem Todesfall konfrontiert.
Bei einigen weit verbreiteten Vorstellungen über den Umgang mit der Trauer nach einem Todesfall handelt es sich jedoch um unzutreffende Annahmen, Klischees oder Stereotypen, wie Aeternitas, die Verbraucherinitiative für Bestattungskultur, beschreibt.
Wenn sich Hinterbliebene nach einem persönlichen Verlust zu sehr von diesen Vorstellungen leiten lassen, kann dies zu schwerwiegenden Fehlern bei der Trauerarbeit führen, sodass man über den erlittenen Schicksalsschlag nur noch schwerer hinwegkommt und die Trauer droht, übermächtig zu werden.
Fehler 1: Hinterbliebene glauben, nach einem Todesfall lange Zeit trauern zu müssen
Menschen, die ihren Kummer nicht öffentlich zeigen oder die schnell wieder in ein seelisches Gleichgewicht zurückfinden, das ihnen ermöglicht, den Alltag zu bewältigen, geraten unter Verdacht, einen notwendigerweise schmerzhaften Prozess nach einem Todesfall im Umfeld zu vermeiden und dadurch langfristig ein Problem zu bekommen.
Dabei ist es gerade wünschenswert, trotz allen seelischen Schmerzes, wieder seinen Alltag in gewohnter Weise bewältigen zu können. Gewissensbisse, nicht angemessen um den verstorbenen Menschen zu trauern, muss dabei niemand haben. Im Gegenteil: Gerade nach einem schweren Schicksalsschlag ist es wichtig, die eigenen Bedürfnisse und Orientierung gebenden Abläufe nicht zu vernachlässigen.
Fehler 2: Menschen lassen Trauer nur in Phasen zu
Diese Vorstellung geht zurück auf die Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross und hat im Laufe der Zeit Eingang in zahlreiche Ratgeber- und Lehrbücher zum Umgang mit Trauer sowie in das Allgemeinwissen gefunden. Wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen jedoch einen solchen Ablauf in Phasen nicht. Stattdessen gilt der Trauerprozess nach einem Todesfall im eigenen Umfeld heute als ein Pendeln zwischen verschiedenen Zuständen. Umgang mit Trauer ist sehr individuell. Hierbei sollte niemand seine persönlichen Gefühle unterordnen und den an ihn herangetragenen Schemata den Vorzug geben.
Fehler 3: Man gibt der Trauer einen festen Endpunkt
Eine verbreitete Annahme besteht darin, dass „normale Trauer“ nach einer mehr oder weniger langen Zeitspanne beendet ist und der Mensch wieder so ist wie vor dem Verlust. Studien zeigen jedoch, dass es viel eher typisch ist, dass sich der Verlust auch nach Jahren noch auswirkt - wenn auch nicht mehr so intensiv. Diese Gedanken an den Verstorbenen können zum Beispiel an dessen Geburtstag, bei der Erinnerung an gemeinsame Erlebnisse oder beim zufälligen Betrachten alter Bilder hervortreten. Und dann ist es nicht verboten, sich der verstorbenen Person zuzuwenden, ihrer zu gedenken und dabei temporär Trauer zu empfinden.
Fehler 4: Menschen setzen sich zu intensiv mit Trauerarbeit auseinander
Von Sigmund Freud stammt der Begriff der Trauerarbeit. Er hat sich tief im Allgemeinverständnis der Gesellschaft zum Umgang mit Trauer festgesetzt: Entsprechend häufig begegnet man auch der Annahme, dass Menschen zwangsläufig Trauerarbeit leisten müssten, um tatsächlich über einen Verlust hinwegzukommen. Gemeint ist damit meist, dass sie sich bewusst schmerzhaften Gefühlen und Gedanken stellen müssen, damit sie bearbeitet und so gelöst werden können. Untersuchungen konnten diese Annahme nicht bestätigen. Erneut gilt zu betonen: Beim Umgang mit Trauer ist es das Wichtigste, den eigenen Gefühlen zu folgen, versuchen, zu ergründen, was einem selbst guttut, und sich nicht wenig zweckdienlichen, vorgegebenen Denkmustern zu unterwerfen.
Fehler 5: Hinterbliebene trennen sich emotional vom Verstorbenen
Lange Zeit war es herrschende Lehrmeinung, dass Trauerarbeit erst dann ihren Abschluss finden könne, wenn es Trauernden gelang, ihre emotionale Bindung zum Verstorbenen zu lösen. Mittlerweile setzt sich die Erkenntnis jedoch immer mehr durch, dass es ganz normal ist, wenn Hinterbliebene langfristig eine Bindung an den Verstorbenen aufrechterhalten – wenn auch in einer gewandelten und ganz individuellen Form.
Umgang mit Trauer: Balance ist das Wichtigste
Trotz allem sollte man die benannten Vorstellungen nicht generell abwerten oder gar verurteilen. Grundannahmen und Erwartungen sind beim Umgang mit Trauer durchaus wichtige Orientierungshilfen, gerade, wenn Menschen in Situationen geraten, die neu für sie sind. Problematisch werden sie jedoch, wenn sie für komplexe Sachverhalte nur einseitige Erklärungen und Handlungsempfehlungen liefern; wenn sie zu Stereotypen werden, an denen individuelle Reaktionen gemessen und gewertet werden oder wenn sie schlicht falsch sind.
Der deutsche Psychologe Hans Goldbrunner beschreibt den Wunsch, Trauer mit Hilfe von einfachen und eindeutigen Grundannahmen zu erfassen, als verständlich, aber nicht erfüllbar. Er sieht gerade im Ringen um die Balance zwischen verschiedenen Kräften ein wesentliches Merkmal von Trauer: zum Beispiel im Ausgleich zwischen dem Aushalten und Vermeiden von Schmerz, zwischen Gefühl und Verstand, Aktivität und Passivität, Ablösung und Bindungserhalt.
Wer sich vor dem Ableben der geliebten Menschen bereits mit ihnen über das Thema Tod unterhalten hat, leistet eine wichtige Vorarbeit, die den Schmerz im Ernstfall durchaus ein wenig mildern kann.
red